08.06.2012

Uni-Studie schlägt Alarm: Vermehrt Gewalt gegen Rettungskräfte im Einsatz

komba gewerkschaft nrw verlangt mehr Schutz für die Helfer

Köln, 11. Juni 2012. Kommunale Rettungsdienste haben ein gutes Image. In der Regel sind sie hochwillkommen. Doch scheinbar nicht überall. Die komba gewerkschaft nrw, Fachgewerkschaft im DBB Beamtenbund und Tarifunion, fordert die öffentlichen Arbeitgeber auf, schnelle Konsequenzen aus einer repräsentativen, inhaltlich erschreckenden Studie der Ruhr-Universität Bochum zu ziehen, in der im Auftrag der  Unfallkasse Nordrhein-Westfalen steigende verbale und auch körperliche Gewalt gegenüber Rettungskräften im Einsatzdienst festgestellt wurde. Uli Silberbach, Vorsitzender der Gewerkschaft für den kommunalen Dienst: „Die Forscher haben dazu sinnvolle Vorschläge zur Bewältigung der Konfliktsituation entwickelt. Die dort getroffenen Überlegungen, kritische Situationen verstärkt in der Ausbildung zu üben und Rettungskräfte zu trainieren, sie physisch und psychisch auf Momente, vorzubereiten, die außerhalb der medizinisch notwendigen Hilfe liegen, und dort angemessen zu reagieren, sollten die kommunalen Betreiber der Rettungsdienste schnellstmöglich prüfen und umsetzen. Wir haben die Pflicht, die Retter zu schützen“.

Hemmschwellen fallen: Schimpftiraden und gewaltsame Übergriffe
Rettungsassistent Sebastian Willer (Feuerwehr Mönchengladbach), Experte für seinen Berufszweig im Fachbereichsvorstand Feuerwehr und Rettungsdienst der komba gewerkschaft nrw, kann die Erkenntnisse aus der Bochumer Studie aus eigener Erfahrung bestätigen. „Am schlimmsten ist es bei alkoholisierten oder unter Drogeneinfluss stehenden Betroffenen. Da gibt es oft keine Hemmschwelle mehr“.  Fast jeder Rettungsassistent oder Rettungssanitäter sei mindestens schon einmal angegriffen worden. In einer Silvesternacht wurde wegen fehlender Ressourcen der Polizei in Mönchengladbach ein Löschfahrzeug zur Unterstützung des Rettungsdienstes entsandt, um Patienten und Personal vor Übergriffen zu schützen, berichtete Willer. Attackiert wurde auch ein RTW-Team, als es außerhalb des Einsatzes einen handfesten Streit zwischen Mann und Frau schlichten wollte. Die Zivilcourage wurde nicht belohnt. Der gewaltbereite Mann wendete sich gegen die Retter. Die Rettungsdienste der Kommunen und der Hilfsorganisationen kennen das Problem. Sebastian Willer weiß, dass sich Mitarbeiter des Bayrischen Roten Kreuzes im Nürnberger Rettungsdienst auf eigene Kosten Stichschutzwesten zugelegt haben. Die Lage ist ernst, die Retter müssen vor manchen Opfern geschützt werden.

Gezieltere Angebote in der Aus- und Weiterbildung notwendig
Ob es soweit kommen muss, dass Stichschutzwesten zur Standartausrüstung der Rettungsdienstmitarbeiter werden sollte, sei fraglich, meint Thorsten Fuchs, stellvertretender Vorsitzender des Fachbereichs Feuerwehr und Rettungsdienst der komba gewerkschaft nrw. Fuchs: „Die optische Grenze zwischen polizeilicher und nicht polizeilicher Gefahrenabwehr ist für den Bürger bereits durch die Einführung blauer Uniformen bei der Polizei stark verschwommen. Das permanente Tragen von Schutzwesten, was die logische Konsequenz bei einer Anschaffung solcher Westen wäre, würde hier die originäre Aufgabenverteilung noch unklarer wirken lassen.“ Die Politik sei dabei maßgeblich gefragt, Angriffe auf Helfer entsprechend juristisch ahnden zu lassen. Ebenfalls müssten solche Bedrohungsszenarien ein fester Bestandteil der Rettungsdienstausbildung, aber auch der ständigen Fortbildung werden, um die Mitarbeiter entsprechend vorzubereiten. „Die Einführung einer bundesweiten und vor allem einheitlichen Datenbank wäre hilfreich, um solche Vorfälle zu registrieren und auszuwerten, damit entsprechend der örtlichen Verhältnissen angepasste Maßnahmen ergriffen werden können,“ so Fuchs.

Auch die Bochumer Studie belegt: 98 Prozent der Rettungskräfte in Nordrhein-Westfalen haben bereits verbale Gewalt erlebt. Von Erfahrungen mit mindestens einem aggressiven Übergriff berichten 59 Prozent. Das ist das zentrale Ergebnis der ersten repräsentativen Studie für NRW, die Julia Schmidt am Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum (RUB, Prof. Dr. Thomas Feltes) im Auftrag der Unfallkasse NRW erstellt hat. Fazit der Studie: Die Rettungskräfte fühlen sich nur unzureichend auf Konfliktsituationen vorbereitet und sind mit der Situation oft überfordert. Sie wünschen sich gezieltere Angebote in der Aus- und Weiterbildung. Abwehren, Wegschubsen oder Anspucken – das sind häufige aggressive Übergriffe gegen Rettungskräfte. Die RUB-Forscher empfehlen Schulungs- und Trainingsprogramme zur Deeskalation und raten  zu „körperschonenden“ Abwehrtechniken. Rettungsdienste sollten darüber hinaus Nachsorgekonzepte für gewalttätige Übergriffe und psychisch belastende Ereignisse entwickeln und etablieren. Ulrich Silberbach: „Dies in der kommunalen Praxis umzusetzen, ist das mindeste, was die Kolleginnen und Kollegen im Rettungsdienst erwarten können. Die Studie zeigt, wie schwer die Arbeit des Rettungsdienstes sein kann“.

Pressemitteilung als pdf-Dokument zum downloaden.

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